Moderner Wohnkomfort in barocken Schmuckstücken
- Patrick Bahr

- 2. Okt.
- 4 Min. Lesezeit
Am Tag des offenen Denkmals 2025 führte Sebastian Schmäh gleich in zwei barocke Häuser in der Meersburger Altstadt, die Holzbau Schmäh derzeit im Verbund mit heimischen Fachhandwerkern restauriert. Zuerst in der Winzergasse 20, dann in der Steigstraße 15. Das Interesse war groß: Insgesamt 140 Interessierte nahmen dieses Angebot wahr, für das die privaten Eigentümerfamilien exklusiv die Türen öffneten.
Die Häuser in der Winzergasse, so auch die Nr. 20, wurden teilweise auf der alten Stadtbefestigung errichtet. Sie zählten zu den Gründen, warum man 1954 die Meersburger Altstadt als erste Gesamtanlage in Baden-Württemberg unter Ensembleschutz stellte. Einst waren es Tagelöhnerhäuser, erbaut ungefähr zwischen 1740 und 1780.
Heute ist die Wohnlage hoch attraktiv. So bietet das Haus Nr. 20 atemberaubende Ausblicke auf die Altstadt, die Meersburg und den Bodensee. Hier entstehen derzeit auf rund 220 Quadratmetern vier Wohnungen, die fest vermietet werden. Der Bau wird komplett denkmalgerecht und energetisch instandgesetzt. „Wir wollen eine Mischung finden zwischen historischen Spuren und modernem Wohnkomfort“, umreißt Schmäh das Sanierungskonzept, das auch das Leitmotiv seiner Firma ist. So soll im ersten Obergeschoss jeder Raum eine sichtbare Fachwerkwand bekommen, der Rest wird verputzt. Und einen Fußboden legte man bewusst mit einem sanften Gefälle an, damit man im Bad auf die gleiche Höhe kommt. Für den Ausgleich arbeitete man mit einer Holzschüttung, ummantelt mit Lehm und Kalk, die auch dem Schallschutz dient.
Beim Rückbau entdeckte man eine Überraschung: „Eine wunderschöne Kassettendecke, damit hat keiner gerechnet“, erzählte Schmäh. Sie war mit heller Kreidefarbe gefasst und hatte sogar einen dunklen Beistrich, der ihr noch mehr Tiefe verleiht. Die Aufarbeitung ist aufwändig, aber eine sehr besondere Aufgabe. So tupfen die beiden FSJ-ler in der Denkmalpflege ganz behutsam in Handarbeit neue Kreideschichten auf. Schmäh betonte, wie bereichernd das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) in der Denkmalpflege für alle Beteiligten sei. Von seinen Mitarbeitenden seien derzeit 23 Auszubildende und 2 FSJ-ler, ergänzte er. „Sieben haben dieses Jahr ausgelernt, fünf bleiben im Betrieb.“ Der Fachkräfte-Nachwuchs ist wichtig, gerade für solche Objekte. „Die Restauratoren werden immer weniger“, so Schmäh.
Im Fokus bei Baumaßnahmen steht heute besonders das Energie-Konzept, das im Denkmalschutz zusätzliche Herausforderungen bereitet. So vermeide man bisher Photovoltaikanlagen in der Altstadt aufgrund der Dachstruktur und der Gestaltungsvorschriften. „Das kriegt man hier nicht zusammenhängend und wirtschaftlich hin“, so Schmäh. In der Winzergasse 20 entschieden sich die Eigner für hochwertige und leicht zu installierende Infrarotheizkörper. Diese laufen zwar zwar mit Strom, liefern aber auf Knopfdruck sofort Wärme.
Übrigens: Auch Stoßlüften spart Energie! Das demonstrierte Schmäh anhand eines Kreuzstockfensters mit Oberlichtern, das Schmäh zusammen mit der österreichischen Firma Gaulhofer entwickelt hat – orientiert an historischen Vorbildern, wie sie teils auch noch in den Meersburger Barockhäusern erhalten sind. Wie diese haben die Neuauflagen einen Drehflügel und können nicht gekippt werden. „Ganz bewusst“, da dauergekippte Fenster sowohl Energie verschleudern als auch Schimmelbildung fördern. Die Fenster sind zweifach verglast und bestehen hochwertigen Hölzern inkl. Wetterschenkel. Damit sind die Fenster auch denkmalkonform und ein Austausch benötigt selbstverständlich eine Denkmalschutzrechtliche Genehmigung. „Fenster müssen nicht immer weiß sein“, betonte Schmäh außerdem. In der Winzergasse 20 sind sie innen weiß und außen in einem gedeckten Grau gehalten, was schön mit dem roten Fachwerk harmoniert.
Dieses denkmalgerechte Fenster kommt auch in der Steigstraße 15 zum Einsatz. Das barocke Wohn- und Geschäftshaus von 1741, in dem schon Filmstar Heinz Rühmann logierte, ist eines von Sebastian Schmähs Lieblingsdenkmälern. Mitten in der Altstadt und ganz nah am See gelegen, diente es früher als eine der ersten Herbergen für den Fremdenverkehr, der ab den 1930er Jahren so richtig aufblühte. Hierher hatte Schmäh bereits beim letztjährigen Denkmalstag geführt. Und nun zeigte er den staunenden Teilnehmenden, nachdem sie der Bauherr persönlich willkommen geheißen hatte, wie sich das inzwischen fast fertige Objekt seither verwandelt hat. Hinter seiner Verwirklichung steht eine generationenübergreifende Gemeinschaft von Familienmitgliedern. Sie schaffen fünf Wohnungen, die jeweils zwischen 30 m² und 60 m² groß sind und zum Teil fest vermietet werden sollen, sowie eine Gewerbefläche von 20 m².
Außen wurde das Haus mit einer Mineralfarbe gestrichen, im ursprünglichen Grün, die Fensterläden sind jetzt aber, statt wie früher in Dunkelgrün, in der Komplementärfarbe Rot gehalten. Rund 85 Prozent der alten Fenster (aus der Zeit vor 1970) blieb erhalten. Auch sonst bewahrte man so viel historische Substanz wie möglich. Von Details wie der schmiedeeisernen Eingangslaterne, die man liebevoll etwa mit neuem Blattgold und historischem Farbglas auffrischte, über die Holzrollläden an der Ladenfläche bis hin zum barockem Außenputz auf der Rückseite des Hauses. Das Dach deckte man in den Sichtachsen mit den noch brauchbaren alten Ziegeln. Die Gaupen, die teils barocken Ursprungs sind, fasste man sorgfältig in Leinöl.
Wo Erhalt nicht mehr möglich war, ergänzte man den Bestand mit originalgetreuen Nacharbeitungen, etwa dem changierenden Sinter-Biberschwanzziegel „Bodenseebunt“, den Holzbau Schmäh exklusiv mit der Firma Erlus entwickelte. Hochwertig sind auch andere Dachdetails wie Schneefanggitter aus Kupfer oder Dreieckshauben.
Und man setzte sogar ein zusätzliches Fenster in eine Wand Richtung Bärenbrunnen ein. Das war möglich, weil es dort nachweislich früher schon mal eine Öffnung gab. Sie sorgt für zusätzliches Tageslicht. Dieses Beispiel zeigt par excellence, dass sich Denkmalschutz und moderner Wohnkomfort nicht ausschließen, wenn Fachleute am Werk sind.






















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