20. November 2023
Mitarbeitende und Betriebsleitung beraten auf Augenhöhe

Holzbau Schmäh pflegt seit einem Jahr eine besondere Art der Mitarbeitenden-Beteiligung: die Vertrauensrunde. Ihr gehören drei Personen aus der Geschäftsführung sowie drei Vertreter:innen der Belegschaft an, die von dieser jährlich gewählt werden. Nach der ersten Wahlperiode ziehen beide Seiten ein positives Fazit. „Es ist ein gegenseitiges Verständnis entstanden“, sagt Firmenchef Sebastian Schmäh. „Es war ein guter Austausch“, meint auch Sanjita Singh, die Vertrauensperson der Auszubildenden. Und Benjamin Wurster, Vertrauensperson der Baustellenleiter, unterstreicht: „Es war ein Austausch auf Augenhöhe.“
Die drei Vertrauenspersonen repräsentieren jeweils eine Altersgruppe: Azubis, Gesellen (künftig: Mitarbeitende zwischen 20 und 35 Jahren) und Baustellenleiter (künftig: Mitarbeitende bis 65 Jahre). Der Impuls zur Gründung der Vertrauensrunde, die sich alle drei Monate trifft, kam von Sebastian Schmäh. Ausgelöst wurde er von einer selbstkritischen Erkenntnis: „Ich dachte immer, wir sind hier im Unternehmen in einem guten Austausch. Doch wir haben jetzt eine Größe erreicht, wo doch einiges auf der Strecke blieb.“ Seit Sebastian Schmäh vor 21 Jahren die Firma übernahm, wuchs sie von zwei auf aktuell fast 60 Mitarbeitende.
Gerade junge Mitarbeitende „wollen nicht mit jedem Thema direkt zum Chef“, beobachtet Benjamin Wurster. Die Vertrauenspersonen sammeln in ihren jeweiligen Bereichen Anliegen, die dann beim nächsten Treffen besprochen werden. Aber auch die Geschäftsführung – Sebastian Schmäh, Edith Walther und Urs Müller – bringt Punkte ein, die ihr wichtig sind.
Max Neidhart, Vertrauensperson der Gesellen, sieht aber die „Vertrauensrunde nicht ausschließlich als Konfliktbewältigungsrunde“. Im Vordergrund stehe der Austausch. So vermittelten nicht nur die Beschäftigten ihre Meinung, die Geschäftsführung teile auch wichtige Daten zur aktuellen wirtschaftlichen Lage und Zukunft mit, etwa Bauzeitenpläne oder Betriebsauslastung. Das fördere das gegenseitige Verständnis. Neidhart war sofort bereit, sich als Kandidat für die Vertrauensrunde aufstellen zu lassen. „Ich dachte, das ist genau das Richtige.“ Der „Kampf gegen den Arbeitgeber“, wie er bei manchen Gewerkschaftlern Vorrang zu haben scheine, „halte ich für falsch.“ Ihm gefällt es im Betrieb und er sieht die Vertrauensrunde „als Chance, da was zu ändern, wo Bedarf besteht.“ So etwa jüngst beim Thema Inflationsausgleich, „das aus meiner Perspektive zum Erfolg geführt hat.“
Die Punkte, die die Runde behandelt, reichen, um nur einige zu nennen, von zusätzlicher Arbeitskleidung über Fahrtzeitenregelung und mehr Transparenz bei der Lohnabrechnung bis zu größerer Effizienz auf der Baustelle.
So wünschten sich die Mitarbeitenden etwa mehr T-Shirts. Die Geschäftsleitung nahm die Anregung auf, legte aber auch offen, dass die Erhöhung von fünf auf sieben Arbeitsshirts pro Person die Firma rund 4000 Euro koste. Ebenfalls werden auf Wunsch UV-Shirts angeboten. Des Weiteren fand man kurzfristig eine Lösung in puncto maximale Lasten beim Einbau von Dachfenstern.
Nicht jede:r sei mit allen Entscheidungen 100 prozentig zufrieden, räumen sowohl die Vertrauenspersonen als auch der Chef ein. Aber es gehe darum, Vereinbarungen zu finden, mit denen alle leben könnten. Dazu müsse man sich manchmal eben in der Mitte treffen. So würden jüngere Mitarbeitende gerne alles digital erledigen, erzählt Schmäh. „Doch der Betrieb besteht nicht nur aus 20-Jährigen.“ Deshalb hänge man zum Beispiel, auf Wunsch der Älteren, schriftliche Arbeitsanweisungen nach wie vor aus.
Ein wichtiges Anliegen der Betriebsleitung, das aber alle angeht, ist die Steigerung der Effektivität – und somit auch der Wirtschaftlichkeit. Das gilt auf den Baustellen wie für die Projektierung und die Verwaltung. „Jeder ist hier gefordert“, Vorschläge und Rückmeldungen von jedem und jeder willkommen, heißt es in einem der Protokolle, in denen nach jeder Vertrauensrunde alle angesprochen Themen genau festgehalten werden.
So erarbeite man bereits eine Vereinheitlichung von Planungsdetails, berichtet Benjamin Wurster. Man nummeriere jedes Einzelteil, etwa für einen Dachausbau. Max Neidhart ergänzt: „Damit jeder gleich weiß, was Sache ist, auch ein Neuzugang.“
Alle drei Vertrauenspersonen würde diese Funktion jederzeit wieder übernehmen. So sagt Benjamin Wurster: „Die Themen, die wir hatten, sind gut besprochen worden und wir haben meist eine Lösung gefunden. Es hat Spaß gemacht.“
Für Sanjita Singh bestand der gute Austausch nicht nur darin, Themen anzusprechen, die sie und andere Azubis umtreiben, sondern auch darin, mehr über den Betrieb zu erfahren – „und etwas bewirken zu können“, unter anderem auch in Bereichen, die speziell Mitarbeiterinnen betreffen. So bräuchten Frauen auf sie zugeschnittene Berufskleidung. Singh hebt außerdem einen Workshop hervor, den sie mit Irmgard Möhrle-Schmäh organisierte: über den Umgang mit Belästigung am Arbeitsplatz: „Nicht von eigenen Leuten“, unterstreicht Singh. Aber mit Passanten und teils auch anderen Gewerken erlebten Mitarbeiterinnen durchaus Entsprechendes.
Solche gesellschaftsübergreifenden Themen lassen sich natürlich nicht auf einen Schlag lösen. Bei firmeninternen Kritikpunkten kann es hingegen ganz schnell gehen.
Neu gewählt bzw. wiedergewählt wurden in die Vertrauensrunde 2024/25:
Smilla Wicht (Vertreterin Azubis), Max Neidhart (Vertreter Mitarbeitende 20 bis 35 Jahre), Benjamin Wurster (Vertreter Mitarbeitende bis 65 Jahre)
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